Looking for Love

DANIELE BUETTI

Looking for Love
Auf Fotos von Models sind mit Kugelschreiber ornamentale Vernarbungen oder an Geschwüre erinnernde Verformungen angebracht. Die Grenzen zwischen reinem Ornament und anomaler Narbe sind fliessend. Was für die einen noch als dekorative Arabeske wahrgenommen wird, gilt für die anderen bereits als krankhafte Erscheinung. Die unterschiedliche Wahrnehmung ist abhängig von den ästhetischen Vorlieben, dem kulturellen Hintergrund, der Empfindsamkeit und der persönlichen Involviertheit bezüglich Fragen über Schönheit und dessen Kult. (Bei bestimmten afrikanischen Stämmen ist Schönheit eng mit einer ritualisierten Handlung verknüpft, bei welcher der Körper breitflächig vernarbt wird). Es gibt seltsame Parallelen zwischen solchen Ritualen und dem Schönheitskult in unserer Gesellschaft: man braucht nur an die morbide Verflechtung des heutigen Schönheitsideals, z.B. hinsichtlich der Anorexie und Bulimie zu denken. Allerdings sind solche Phänomene nicht singulär, sondern gründen in einer Tradition der “Tyrannei der Schönheit”, in welcher Schönheitskult und krankhafte Erscheinung immer wieder in einer höchst bizarren Symbiose vereint wurden.

In ‘Looking for Love’ leisten die Vernarbungen zuerst Widerstand gegen die Klischees von Schönheit (unser Schönheitsideal basiert auf Makellosigkeit, Wohlproportioniertheit, Ebenmässigkeit, Symmetrie), lassen jedoch auf den zweiten Blick die sich bedingenden Gegensätze von Attraktion und Repulsion deutlich werden. ‘Looking for Love’ ist ein Spiel der Ambivalente, eine Wanderung auf dem Grat des Schönheitskultes.1


Good fellows
Firmennamen von Multis wie General Motors, Ford, Exxon, Goodyear, Nike und anderen mehr sind in einer kantigen, sehr rudimentären Schrift scheinbar in die Haut eingeritzt und vernarbt. Genau wie Tätowierungen sind diese Narben Ausdruck emotineller Entscheidungen, die den Wunsch implizieren, auf eine existentielle, lebenslängliche Verbindung des eigenen Körpers mit der jeweiligen Botschaft einzugehen. “In einer Zeit, die trotz angeblicher Individualisierung unter dem Verlust an persönlichen Werten, an einer persönlich empfundenen Ohnmacht und Orientierungslosigkeit leidet, ist der eigene Körper oftmals der einzige Referenzpunkt des menschlichen Seins”. 2
Hier fungiert die Identifikation mit Corporations als Utopieersatz: Coca Cola auf die Haut tätowiert erweist sich als die Fortsetzung eines religiösen Bekenntnisses mit anderen Mitteln.

1 Vgl. Paolo Bianchi: Der zweite Blick. Ein Entwurf in elf Thesen zur Ausstellung im Haus der Kunst,
München, 1995.

2 Christoph Doswald: Mimetische Subversion in der künstlerischen Praxis von Daniele Buetti, Baden, 1995.

Zur Ausstellung erscheint eine Buchedition.

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